Freitag, 4. April 2025

Mission TÜV: Der rostige Gott

Sie kamen in der dritten Morgendämmerung.
Mit blinkenden Westen, Klemmbrettern aus Stahl und Augen, so kalt wie synthetisches Motoröl.

Der TÜV.

Offiziell hieß es: Technischer Überwachungsverein.
Doch in Wahrheit war es ein interdimensionaler Inquisitionsorden, dessen Aufgabe es war, schwache Fahrzeuge aus der Realität zu tilgen.
Und mein treues Gefährt – ein irdischer Blechpanzer mit leichtem Rostbefall und einem Geruch irgendwo zwischen nasser Hundedecke und apokalyptischem Zigarettenrest – war ihr nächstes Ziel.

Ich hatte den Fehler gemacht, zum Prüfzentrum Omega-K42 zu fahren – einer Station, die angeblich noch von Menschen betrieben wird, aber ich schwöre: Die haben dort schon lange künstliche Lebensformen durch selbstzweifelnde Roboter ersetzt.

Der Prüfer sprach in Zahlen.
Er murmelte von „Nichtfreigängigkeit“, „Strukturversagen im Radkastenbereich“ und „kompletter Erosion der Auspuffintegrität“.
Ich verstand nichts.
Ich hatte Pilze genommen.
Oder vielleicht waren es nur diese billigen Lakritze vom Tankstellensnackregal – ich war mir nicht sicher.

„Die linke Hinterradaufhängung ist kurz davor, sich in eine Singularität zu verwandeln“, erklärte mir der androide Technomagier mit ernster Miene. „Sie haben den TÜV nicht bestanden.“

Was dann folgte, war eine Reise durch die Schattenreiche der Automechanik.
Ich fuhr durch Dimensionsrisse aus Werkstattangeboten.
Ich sah Hallen voller ölverschmierter Schamanen, die mit Schraubenschlüsseln wie Kriegshämmern um sich schlugen.
Der Werkstattmeister trug ein Stirnband aus Bremsleitungen.
Sein Blick war leer.
Seine Hände waren schwarz vor Wahrheit.

„Es wird dich 990 Einheiten kosten“, sprach er schließlich.
„Aber dafür bringe ich deinen rostigen Freund zurück ins Leben. Für zwei weitere Sonnenzyklen.“

Ich übergab ihm das Geld.
Monopoly-Scheine aus meiner Kindheit.
Er akzeptierte.
Oder zumindest tat er so.

Was dann geschah, war eine sakrale Operation.
Die linke Hinterradaufhängung wurde entfernt wie ein bösartiger Tumor.
Der Auspuff, ein vom Rost zerfressener Drachenrüssel, wurde durch ein neues, glänzendes Titanrohr ersetzt – das in der Sonne glitzerte wie der Schlund eines frisch geölten Engels.

Die hinteren Bremsen wurden mit rituellen Tänzen entblockiert.
Man benutzte Feuer, Eis und eine Flasche WD-40.

Der Radkasten wurde befestigt. Mit Schrauben? Vielleicht.
Mit Liebe? Vermutlich nicht.
Mit schwarzer Magie? Höchstwahrscheinlich.

Am Ende – als die Sonne über der Werkstatthalle unterging und ich durch die dunstige Luft der verbrannten Kupplung in die Zukunft fuhr – hatte ich sie.
Die Plakette.
Den Stempel.
Das heilige Siegel.
Zwei Jahre Gnadenfrist, gesprochen vom mechanischen Gott des TÜV.

Ich war frei.
Oder zumindest auf Bewährung.

Viel Geld für ein bisschen Auto.
Noch mehr Geld für ein bisschen Hoffnung.

Aber so ist es eben, in dieser Welt zwischen den Welten.
Zwischen TÜV und Tod.
Zwischen Bremsstaub und Sternenstaub.

Denkt mal darüber nach.

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